Dr. Ina E. Minner


Bereits während des Studiums der Geschichte und Sozialwissenschaften an der Ruhr-Universität in Bochum machte Ina E. Minner die deutsch-griechischen Verbindungen zu ihrem bevorzugten Thema. So befasste sie sich in ihrer Staatsarbeit mit der "Philhellenischen Bewegung in Deutschland zu Beginn des 19. Jahrhunderts". Ihr Dissertationsprojekt über die Griechenlanderfahrung von Ludwig Ross stellte sie erstmals im Oktober 2002 auf einem internationalen Kolloquium im Deutschen Archäologischen Institut in Athen vor. Im April 2006 erschien die Dissertation unter dem Titel "... ewig ein Fremder im fremden Lande" - Ludwig Ross (1806-1859) und Griechenland. Biographie (Mannheim/Möhnesee 2006). Anlässlich des 200. Geburtstages von Ludwig Ross, der in diesem Jahr begangen wird, konzipierte und realisierte sie in Zusammenarbeit mit dem Archäologischen Museum "Robertinum" der Martin-Luther-Universität in Halle/Saale die Ausstellung Ludwig Ross. Holsteinischer Patriot. Wegbereiter der Archäologie in Griechenland. Unangepasster Gelehrter in Halle, die dort und in Kiel präsentiert wurde.



"... so gilt mir Griechenland als mein zweites Vaterland"

Ludwig Ross (1806-1859) -

Ephoros der Altertümer Griechenlands und Professor an der Universität Athen während der "Bayernherrschaft"

Eine Lesung aus seinen Briefen, Berichten und Reisewerken

Als Stipendiat des dänischen Königs landete der Holsteiner Ludwig Ross am 22. Juli 1832, an seinem 26. Geburtstag, auf Hydra. Er war gekommen, um auf den griechischen Inseln die antiken Stätten zu untersuchen, von denen im westlichen Europa kaum etwas bekannt war. Doch es sollte noch vier Jahre dauern, bis er dieses Vorhaben umsetzen konnte. Allzu sehr fesselten ihn die politischen Prozesse im gerade gegründeten Königreich Griechenland und banden ihn zunächst an die damalige Hauptstadt Nauplia.

Mit dem Eintreffen der bayerischen Regentschaft in Griechenland begann hier Ross' unvergleichlicher Aufstieg vom holsteinischen Bauernsohn zum Ephoros der griechischen Altertümer und Mitglied der höheren Gesellschaft Athens. Nachdem sich Ross seit 1833 als Aufseher über die Altertümer der Peloponnes bewährt hatte, erhielt er alsbald die Beförderung zum Leiter des gesamten griechischen Antikendienstes. Sein hauptsächlicher Wirkungsbereich in dieser Funktion war die Akropolis von Athen. Ross sorgte für ihre Entmilitarisierung und für ihren Schutz als ausschließlich archäologisches Terrain. Daneben zählt zu seinen bedeutendsten Leistungen die Wiedererrichtung des Tempels der Nike Apteros. Auch in anderen Bereichen der Feldarchäologie arbeitete Ross vorbildlich in einer bis dahin unbekannten Weise. Mit der in der klassischen Archäologie ersten nachweisbaren Tiefengrabung am Parthenon überwand Ross die Jagd nach antiken Kunstschätzen und setzte einen methodischen Standard, der erst rund 40 Jahre später bei der Ausgrabung von Olympia wieder erreicht werden sollte.

Querelen mit dem ihm vorgesetzten Ministerium sorgten schon 1836 für seine Entlassung. Mit der Berufung an die 1837 gegründete Universität in Athen rehabilitiert, verbrachte Ross die folgenden Jahre als Professor für Archäologie in Griechenland, bevor die Ereignisse der Septemberrevolution von 1843 ihn zwangen, das Land zu verlassen.

Ross war nicht nur Archäologe. Vielmehr empfand er sich bald als "deutscher Grieche", der das Land aufgrund seiner ausgedehnten Reisen und seiner besonderen Sprachbegabung so gut kennen und verstehen lernte wie kaum ein anderer Fremder und es sogar zu seiner Heimat machte. Sein Blick auf die Gründungsphase des griechischen Königreiches, auf den Widerspruch zwischen den althergebrachten Traditionen und der fortschreitenden Europäisierung stehen genauso im Mittelpunkt der Lesung wie Ross' persönliche Erfahrungen während seiner Arbeiten auf der Akropolis, seiner Reisen oder als politischer Beobachter.